Cheer
Diary 4
„Mann, wir kommen SCHONWIEDER zu spät“
jammere ich. „Wir sind noch NIE rechtzeitig gekommen“ erwidert Samira fröhlich. Sie hat Recht. Ich will
meinen Kopf an das Armaturenbrett schlagen, um meiner Verzweiflung
mehr Ausdruck zu verleihen. Doch dann ruiniere ich womöglich
meine Frisur. Tränen sind auch keine Option, denn das würde sicher
meinem aufwändigen Makeup schaden. Also mach ich gar nichts. Einen
Moment lang ist es still. Man hört nur das Gebrumme unseres Autos.
Der Moment ist schnell vorbei. Selly und Emilia unterhalten sich
angeregt über Nagellack, während Samira ein Foto von ihrem gold-schwarz angemalten Auge in die Gruppe schickt. Mein Vater
verkündet, dass die Straße gesperrt sei und dass er nicht wüsste
wie es weitergeht. Die Mädels sind begeistert. Nun haben sie einen zu-spät-komm-Grund. Ich fröstle. Eine Gänsehaut bekomme ich aber
erst von dem Mann, der uns schließlich den Weg weist. Ehrlich. Man
betrachtet selten eine solche Hässlichkeit von nahem, und das ist
gut so. Eine Gruppe von Mädchen mit knallbunten Gesichtern,
Tarnjacken und Hotpants stelzt an uns vorbei. Was ist mit denen los?
Draußen sind gefühlte 5 Grad und es nieselt. Schließlich hält
mein Vater an. Er kann nicht weiter, weil ein Auto mit nem Huhn auf der
Kühlerhaube den Weg versperrt. In der Nähe stehen ein paar Leute
mit Hühnerkostümen. Ich hab keine Ahnung, welchem Verein die
angehören. Nach kurzer Orientierungslosigkeit entdecken wir unser
Ziel. Ein Regentropfen landet auf meiner Nase. Unbehaglich klammere
ich mich an meine Stofftasche. Als ich aber meine Gruppe anschaue, muss ich lächeln.
Ich mag mein Team. Sehr. Auch wenn ich mir nicht mal alle Namen merken
kann..
Man merkt dass wir zusammengehören. Wir
tragen alle die gleichen, wabbeligen Trainingsanzüge. Außerdem
Schleifen, und gaaaanz viel Makeup. Aber das ist beim Cheerleading
eben so. Und eigentlich gefällt mir die Schminke. Allerdings hat
mich der Blick in den Spiegel ziemlich erschreckt. Danke nochmal,
Selly und Samira. Die beiden haben eine Stunde dran gesessen, und es
dann geschafft, ihr eigenes Makeup in 15 Minuten zu machen. Wow. Neben
uns fängt eine Musikgruppe an zu musizieren. Sie sehen sehr... speziell aus, aber klingen echt gut, und wir wippen im Takt. Die
Footballspieler sind mittlerweile mehr als leicht betrunken...
Schließlich kommt jemand auf die gloreiche Idee, einen Stunt auf dem
Asphalt zu performen. Leicht gefährlich? Aber alles ging gut, und
wir sahen echt nice aus. Richtig Cheerleader- like. Nach einer
gefühlten Stunde setzt sich der Zug langsam in Bewegung. Vor uns die
Hühnergruppe.. Hinter uns eine Gruppe von Hexe(r)n. Erstmal Abstand
nehmen. Mit denen habe ich nur schlechte Erfahrungen gemacht...
Fröhlich schmeiße ich Süßigkeiten auf Leute. Hehe:) Bald gehen
sie uns aus, leider. Ich hätte so gerne noch ein besonders hartes
Bonbon an den Kopf meines Erzfeindes gepfeffert.. Samira
geht es genauso. Doch sie gibt sich auch mit den Pompoms zufrieden,
die ihr ausgeliehen wurden. Eifrig wedelt sie damit herum. Ich würde
sie jetzt so gerne knuddeln, aber in einem sich stetig bewegenden
Umzug ist das eher ungünstig. Wir ziehen an einer Einhorn Familie
vorbei. Mein Highlight des Tages! Das beliebteste Kostüm des Tages
scheint übrigens das Erdbeer- Kostüm zu sein. Alles klar. Ein
besoffener Footballer torkelt an uns vorbei. Die Hexer kommen mir
viel zu nahe, ich flüchte schnell nach weiter vorne. Für Selly ist
es zu spät. Einer kommt auf sie zu, starrt sie an (sie zuckt
verängstigt zurück) und - gibt ihr einen Lolli.. Schließlich kommt das Ende in Sicht.
So sieht Fasching also von innen aus... Interessant. Meine Beine
fühlen sich an wie Pudding, mir ist kalt, ich bin leicht aufgedreht,
und trotzdem erschöpft. Für die Seesterntaktik (mit ausgestreckten
Gliedmaßen auf den Boden legen) ist es zu nass. Tschüss.
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