Teil 4
Ein ganz normaler Tag im Leben einer Prinzessin
Kapitel 4
Ich renne
also durchs Dunkel, bin fest davon überzeugt koordiniert zu
sein...
und renne mit vollem Karacho gegen eine Wand.
Da ich darauf
nicht im geringsten vorbereitet war, habe ich die Arme nicht
vorgestreckt und nur mein Babyspeck dämpft den Aufprall ein
bisschen, der klatscht nämlich gegen den Beton und mein Gesicht.
Ich fluche, mein Busen und meine Schienenbeine schmerzen sehr. So merke ich, dass meine Stimme näselnd klingt, dass mir etwas warmes übers
Gesicht läuft und gerate in Panik.
Ich patsche
mit einem Finger in das Nasse, jaule auf, weil die Stelle weh tut,
und stecke den Finger in den Mund. Urg. Eindeutig Blut. Ich muss das
mal von unserem Arzt ansehen lassen.
...Arzt...
Schlagartig wird mir klar, dass das schwer möglich sein wird. Ich zittere. Ich hab keine
Ahnung wo ich bin, geschweige denn, wie ich hier rauskomme. Also sinke ich
auf den staubigen Boden, bereit zu kapitulieren. Vielleicht finden
sie mich lebendig, vielleicht auch nicht. Mir ist gerade alles egal.
Bald wird
mir langweilig.
Ich mache die Augen zu und beschließe mein Leben an
mir vorbei ziehen zu sehen, wie in Kitschfilmen. Doch meine Nase
blutet immer noch, und juckt, mein ganzer Körper schmerzt.
In meinem
Kopf schwebt plötzlich ein Gedanke.
Dass ich nicht aufgeben will.
Wenn ich hier sitzen bleibe, verblute und verhungere ich, oder sie
finden mich rechtzeitig...
doch in beiden Fällen hätte ich
aufgegeben. Ich habe noch nie so aufgegeben, obwohl man dazu sagen
muss, das ich noch nie in so einer Situation war.
Durch meine
stachelnden Gedanken angespornt stehe ich wankend auf, kurz wird mir
schwindelig. Ich rutsche fast auf der kleinen Pfütze aus, die sich
unter mir gebildet hat. Zuerst denke ich, dass es Blut ist. Das
einzige was dazu noch sagen muss ist, dass es kein Blut ist.
Ich fühle
mich peinlich berührt, bis mir klar wird dass es keiner gesehen hat.
Den Kopf in
den Nacken gelegt taste ich mich voran, dummerweise weiß ich nicht
von welcher Richtung ich gekommen bin, also zähle ich aus.
Während
ich vor mich hin humpele, gehe ich alle Möglichkeiten durch.
Vielleicht
finde ich ja noch einen Lichtschalter, oder den Ausgang, den meine
Mutter genutzt hat, FALLS sie einen genutzt hat. Wer sagt, das sie
den Weg hier raus gefunden hat?!
Ich denke
nicht, das sie sich in diesen Gängen so gut auskennt, denn bis jetzt
hatte sie ja auch keinen Grund, hier zu sein.
Das alles
heißt ja, das sie hier wahrscheinlich noch drin ist! Also könnte
sie genauso gut nicht gefunden werden und verhungern.
Ich
vergesse, dass ich selber Hilfe brauche, ich muss jetzt hier raus
finden, damit Mama hier rauskommt. Ich ärgere mich ein kleines bisschen über mich selbst, diese Frau geht mir 90% der Zeit auf den
Wecker und trotzdem ist mir ihre Rettung sehr wichtig.
Ich fasse mehrmals in Spinnennetze und einmal in etwas Glitschiges, von dem
ich gar nicht erst wissen will, was es ist.
Dann endlich klopft meine
Hand auf etwas Hohles.
Es ist kein
Lichtschalter, das steht fest. Aber was ist es? Zum ersten mal verfluche ich, kein
Handy dabei zu haben, welches ich jetzt als Taschenlampe brauchen
könnte.
Ich vergesse es nämlich immer extra. Die Dinger sind
sowieso Überwachung pur.
So bleibt mir also nur, das Fundstück so
gut es geht abzutasten. Nach 5 Minuten weiß ich, das es eine Box ist,
nach weiteren 5, dass man sie öffnen kann und schließlich ist mir
klar, dass ich nicht weiß wie.
Bald verliere ich die Geduld zu
suchen und versuche es Gewalt. Soll noch mal einer sagen dass das
nicht klappt. Es klappt sogar gut, und ich halte den Deckel in der
Hand.
Diesen lasse ich achtlos fallen, um den Inhalt der Box zu
untersuchen, halte aber inne und bleibe ein paar Sekunden wie erstarrt, denn das Echo des auf den Boden fallenden
Deckels hallt durch alle hundert Gänge und ist in dieser Stimmung
sehr laut und gruselig.
Ich widme
mich schließlich wieder dem Box-Inhalt, und ertaste ein pappartiges
Ding, das an die Innenseite geklebt ist. Ich hab keine Ahnung was es
ist, also reiße ich die Augen so weit wie möglich auf und nähere
mich dem Papier. Von irgentwo her leuchtet eine winzige Menge Licht in diese Gänge. So erkenne ich verschwommene schemenhafte Umrisse.
Sieht aus wie ein Gangnetz.
Na toll, jetzt hab ich einen Schlüssel
nach draußen gefunden, kann ihn aber nicht nutzen, weil ich nicht genug
sehe. Ich gehe mit dem Gesicht zu nah an die Boxwand, stoße an, und
verliere dabei das Gleichgewicht.
Mit der
Stirn knalle ich an etwas was ein Knopf sein muss, denn es gibt
nach. Erschrocken springe ich zurück als...
...
plötzlich eine Stimme aus der Box kommt.
Eine schnarrende Stimme
die mir mitteilt, dass ich gerade auf den Hilfeknopf gedrückt habe und fragt,
was für Hilfe benötigt würde.
„Ähm...Aus..gang“ stammele ich.
Eine kurze Zeit ist es still, dann antwortet die Stimme:
„Sie gehen
links, gerade aus, geradeaus, rechts, dann sind sie am
nächstliegenden Ziel“.
Ich bedanke mich erleichtert. Das Ding
schaltet sich nur schnarrend wieder aus.
Ich sammele noch mal alle
Kräfte, oder eben so viele wie man hat, wenn viel von dem Blut, das
eigentlich im Körper sein sollte, dort nicht mehr ist, sondern einem in
kleinen Bächen am Kinn runterfließt.
Ich bemühe
mich flach zu atmen, der starke Blutgeruch löst in mir Übelkeit
aus. Ich bewege mich also vorwärts, komme an eine Kreuzung...wo ist
noch mal links?
Normalerweise lackiere ich mir immer eine Hand Lila
und eine Rot, um es zu unterscheiden, aber, in fast vollkommender
Finsternis bringt mir das gar nichts.
Ich versuche
mich mit allen Tricks zu erinnern. Ich weiß noch, dass mein Zimmer im
linken Teil des Schlosses lag, also schließe ich die Augen und
stelle mir vor, dorthin zu gehen. Scheint zu funktionieren, denn nach
ein par Metern gerade aus, noch mal gerade aus und dann in die
entgegengesetzte Richtung meines Zimmers, sehe ich Licht.
Nur ein
winziger Strahl, aber immerhin.
Freudig
trabe ich darauf zu, bin natürlich auf eine Tür gefasst... da ist
aber keine!
Nur der
Schacht eines winzigen Aufzuges. Angestrengt überlege ich. Sowas hab
ich doch schon mal gesehen...
Plötzlich
bewegen sich die Drahtseile. Etwas kommt im Schneckentempo von unten.
Hm, riecht
gut... Ein Speiseaufzug!
Dieser kommt immer näher und ich habe
keine Zeit zu überlegen.
Ich lasse mich in den Schacht fallen und
lande in einer Terrine Kürbissuppe.
Das Zeug ist
sauheiß, ich verbrenne mir meinen Prinzessinnenhintern.
Das entlockt
mir einen kurzen Schrei und ich versuche mich in dem engen Raum so
gut wie möglich aufzurichten, um nicht länger in dieser heißen
Brühe hocken zu müssen.
Als ich das
halbwegs hinbekommen habe, fällt mir auch schon ein neues Problem
ein. Der Aufzug ist ganz bestimmt nur für Essen gedacht, nicht für
pummelige Prinzessinnen!
Was ist,
wenn die Drahtseile reißen und ich abstürze?
Gerade als ich
richtig in Panik gerate macht es Klick und der Aufzug kommt zum
stehen. Blitzschnell geht plötzlich ein Türchen vor mir auf und ich erschrecke mich so sehr, dass ich mich wieder hinsetzte, mitten in die
Suppe.
Unsere
Servierfrau schaut mich sehr komisch an. Hat wohl noch nie eine
zerschundene Prinzessin in Unterrock und mit Suppe am
Hintern gesehen!
Ich will sie
leicht genervt bitten mir raus zuhelfen, da knackt es. Ein Dratseil ist
gerissen, oh Gott, wie viele gibt es?
Schnell und fluchend krieche ich aus dem
Aufzug.
Im
Speisesaal angekommen lasse ich mich einfach auf den roten Samtteppich fallen, röchle noch dramatisch „Arzt“ und verfalle in
eine Art Ohnmacht. Dadurch bekomme ich das Gewusel um mich zum Glück
nur halb mit.
In meinem
Kopf verfasse ich schon mal meinen Tagebucheintrag
„Liebes
Tagebuch, heute war wieder ein beschäftigter Tag in meinem Leben, dem Leben einer
Prinzessin von heute..“
Dass bei diesen Worten viele wieder an
pinke Schlösser, Märchen und ein wundervoll traumhaftes Leben mit
weißen Ponys denken, entlockt mir nur ein müdes Lächeln.
Ich weiß es
besser.
Das war nun Teil vier. Ich hoffe er hat euch gefallen. Ist einer meiner Lieblingskapitel;) Ihr würdet mir eine sehr große Freude bereiten, wenn ihr eure Meinung in die Komentare schreibt. Teil fünf folgt sogleich!
Deine Prinzessin hat's aber echt nicht leicht. Aber wie sie mit all den Missgeschicken umgeht, gefällt mir!
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